Nachbilder. Über das Zeichnen nach Fotografien
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Statt dinglicher Fixierung: Auflösung der
Kontur. Statt Blickbündelung: Zerstreuung über das Bildfeld. Statt
Erfassung des Moments: Dehnung der Zeit. Statt ausgreifender Geste:
Aufgehen der Handschrift in mikrologischen Markierungen. Statt
Expression des Innen: Finden des Motivs in bereits bestehenden Bildern.
Statt des einzigen Bildes: Streckung zur Serie.
Faulhabers Zeichnungsart unterscheidet sich in einem wesentlichen Zug
von dem Verständnis, das die Tradition der Gattung prägte und in der
frühneuzeitlichen Theorie des ‚disegno’ eine bis heute nachwirkende
Form gewann. Danach ist Zeichnen ein Akt des Linienziehens, in welchem
die interne Konzeption des Bildes und deren externe Ausführung
möglichst nahtlos ineinander übergehen sollten. Der Rang der Zeichnung
im Gefüge der Künste begründete sich darin, dass ihr Basiselement
ontologisch kaum zu fassen ist: Die Linie, welche die Dinge von ihrer
Grenze her erfasst, ist ein ‚Nichts’, weder im Ding noch außerhalb des
Dings. Durch konturgebende Linien werden die gezeichneten Dinge
bestimmt, obschon es diese Konturen in der wahrgenommenen Welt nicht
gibt. Doch ist die Linie in der Lage, Unterscheidungen einzuführen:
zwischen Ding und Nicht-Ding, diesseits und jenseits, innen und außen.
Die gezogene Linie bricht das raumzeitliche Kontinuum auf, mit der
Folge, dass es nun zwei voneinander unterschiedene Seiten gibt. Gerade
weil die Linie nichts ist, was man der Natur selbst entnehmen kann,
wurde der Zeichnungsakt im Zuge der frühneuzeitlichen Aufwertung der
künstlerischen Tätigkeit zum entscheidenden Können: zum Akt, in dem die
Kunst ihre Eigenleistung vollbrachte. Das Verwandeln eines
ontologischen Nichts in ein Können eröffnete den Raum, in dem die Kunst
sich selbst begründen konnte.
Der Rückgang auf die ‚disegno’-Tradition lässt schlagartig erkennen,
worin die erste und entscheidende Eigenart von Faulhabers Zeichnungen
nach Fotografien besteht: in der hier getroffenen Entscheidung, auf die
Linie als Basiselement des Zeichnens zu verzichten. Statt aus Linien
entstehen die Bilder aus einem Kontinuum tonaler Gradation. Der
Verzicht manifestiert sich an beiden Polen der Zeichnung, dem
zeichnerischen Akt und dem hervorgebrachten Bild. Aufgegeben wird der
raumgreifende Gestus, der in einem kraftvollen Zug über den Blattgrund
dem inneren Bild äußere Gestalt zu geben versucht. Das Bild entsteht
sich vielmehr in einem Prozess allmählicher Emergenz. Es entwickelt
sich nicht aus dem Augenblick heraus, sondern in ihn hinein, dehnt ihn
von innen her.
Das Zeichnen durch tonale Gradation beruht nicht auf dem Akt der
Unterscheidung, sondern auf demjenigen der Verflüssigung. Das betrifft
zunächst die Dinge im Bild. Ihre Konturen verschwimmen ebenso wie ihr
raumzeitlicher Ort, bis zu dem Punkt, an dem Identität, Existenz und
Situation der Dinge ungewiss werden. Es betrifft aber gleichermaßen das
Bild selbst, das, wenn es auf einer fotografischen Vorlage beruht, kein
‚erstes Bild’ ist, sondern ein Nachbild, d.h. ein Bild von einem Bild,
und zugleich ein Metabild, d.h. ein Bild über ein Bild. Die einzelne
Zeichnung wird zur Stufe in der Anverwandlung des fotografischen Motivs
und der Weiterverwandlung ihres zeichnerischen Potenzials. Dabei
verkompliziert sich das Verhältnis von Urbild und Nachbild dadurch,
dass nicht nur die Ausgangsfotografie, sondern nachfolgend auch jede
Zeichnung zum Quellpunkt weiterer Zeichnungen werden kann, sofern ein
bestimmtes Merkmal Anlass gibt, es aufzunehmen und fortzuentwickeln,
durchaus unter Inkaufnahme der Entfernung von der impulsgebenden
Fotografie.
Das transformative Verhältnis zwischen den Zeichnungen hängt mit deren
Eigenart zusammen, ein fortlaufendes Experiment mit den Möglichkeiten
zu sein, Markierungen zu setzen und Sichtbarkeitsgebilde
hervorzubringen. Dieses Experiment ist nicht zielgerichtet, sondern
erweist sich als rekursives System, in welchem ein entstandener Effekt
zum Strukturelement einer neuen Bildfindung wird – die wiederum Effekte
hervorbringen kann, die zum Anstoß einer neuen Zeichnungsweise werden,
usw. Die Experimente überschreiten die herkömmlichen Verfahren der
Zeichnung besonders dann, wenn sie zwischen Hand und Blatt weitere
Medien schieben, welche die Handschriftlichkeit verfremden oder ganz
ablösen, so wie es beispielsweise bei den Pappkästen der Fall ist, in
denen das eingelegte Bild, dem kontrollierenden Blick entzogen, durch
das Schütteln der eingeschlossenen Kreidestücke entsteht. Die
traditionell enge Bindung der Zeichnung an die künstlerische
Subjektivität wird auf diese Weise gelockert – genau wie die
Fotografien, auf die Faulhaber zurückgreift, zwischen Künstlersubjekt
und Zeichnung die Vermittlungsebene eines bereits vorhandenen Bildes
schieben, wodurch sich die traditionell ebenso enge Bindung der
Zeichnung an die künstlerische Imagination löst.
Komplex ist die Beziehung von fotografischem Urbild und zeichnerischem
Nachbild aber auch deshalb, weil sich das Urbild einem apparativen,
nicht subjektiven und nicht leibgebundenen Sehen verdankt. Unter den
vielen Bestimmungen des fotografischen Bildes lässt Faulhabers Umgang
mit diesem Medium insbesondere an Bemerkungen Walter Benjamins denken,
in denen dieser betont, es sei eine andere Natur, welche zur Kamera als
zum Auge spreche, da an die Stelle eines vom Menschen mit Bewusstsein
durchwirkten Raumes ein unbewusst durchwirkter Raum trete. Es sei, so
Benjamins berühmte Formulierung, das Optisch-Unbewusste, das durch die
Fotografie erschlossen werde, so wie das Triebhaft-Unbewusste durch die
Psychoanalyse. Benjamin bezog seine Bemerkung auf die frühsten
Zeugnisse der neuen Bildtechnik, die eine noch nicht vermessene,
unbeschriftete Welt in die Sichtbarkeit hoben – in eine Sichtbarkeit,
der die fotografisch porträtierten Menschen, so Benjamin, mit Scheu
begegneten. Diesen Entzug inmitten der Sichtbarkeit arbeiten Faulhabers
Zeichnungen nach Fotografien Henry Fox Talbots, eines der Pioniere der
neuen Technik, deutlich heraus.
In signifikanter Weise trifft Benjamins Diktum aber auch auf jene
reflektografischen Bilder zu, welche Benjamin noch nicht kennen konnte
und die Faulhaber zum Gegenstand seiner jüngsten Zeichnungsserie
machte: auf jene Durchleuchtungen von Lastwagen, die Menschen daran
hindern sollen, unbemerkt und illegal eine Grenze zu passieren.
Benjamins Begriff des Optisch-Unbewussten, das durch den apparativen
Blick ans Licht komme, gewinnt hier eine soziopolitische Dimension,
indem es als Gesellschaftlich-Unbewusstes erscheint, das sich in den
hinter oder unter den Waren versteckten Menschen verkörpert, als seien
sie das Verdrängte einer kapitalisierten Welt, in der Waren mehr
Bewegungsfreiheit haben als Menschen. Das reflektografische Bild,
welches das ‚Unbewusste’ aufdeckt, ist dabei nicht allein jenes
Instrument exakteren Wirklichkeitsverständnisses, als das Benjamin die
Fotografie feierte, sondern vor allem ein Beweisstück, das die Existenz
der im Bild erfassten Menschen unmittelbar angreift. Als Indiz ihres
Vorhandenseins wird es selbst zum Handelnden, indem es Maßnahmen
auslöst, die sich gegen die Menschen richten, deren zurückgeworfene
Strahlen vom Apparat registriert wurden.
Während nach der klassischen Kunsttheorie alle bildenden Künste
(Malerei, Skulptur, Architektur) auf der Zeichnung basieren und
Zeichnung wiederum wesentlich im Ziehen von Linien besteht, taucht mit
der Fotografie eine Bildform auf, die nicht auf die Linie rückführbar
ist. Ihr technischer Naturalismus durchkreuzt gerade jenen Stolz der
Zeichnung, auf etwas zu gründen, was es in der Natur nicht gibt. Das
fotografische Bild entsteht nicht aus Linien, sondern durch die
Aufzeichnung von Intensitäten, sei es diejenige des Lichts wie in der
traditionellen Fotografie, sei es diejenige von Röntgenstrahlen oder
Schallwellen wie in der Reflektografie. Die Fotografie brachte eine
Bildform hervor, die nicht auf der konturierenden Bestimmung der Dinge
basiert, sondern auf der Schwebung zwischen Licht und Dunkel,
unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten oder wechselnder
Materialdichte. Solche Eigenschaften verbinden das fotografische Bild
mit Faulhabers Zeichnungen. Auch letztere zeigen eine silhouettierte
Welt, die von einem mittleren Grau aus stärker ins Helle oder Dunkle
gleitet. Die Silhouetten der Dinge und Körper verfransen und ähneln
sich einander an, beispielsweise wenn ein Pfosten so vor einem Rücken
verläuft, dass er zum Rückgrat wird. Der Bildraum wird seicht, da auch
er allein aus der tonalen Stufung entsteht, und öffnet sich sowohl nach
vorne wie nach hinten ins Unsichtbare. Was sich abzeichnet, ist
lediglich eine Schicht des Raumes, was davor oder dahinter liegt, löst
sich im diffusen Blattweiß auf. Die nur gerade eine Schicht erfassende
Sichtbarkeit – im Ausgangsbild eine Folge des reflektografischen
Verfahrens – gerät zuweilen in Konflikt mit der Beweglichkeit der
Körper, die sich nur etwas zu weit in die Raumtiefe beugen müssen, um
sich im offenen Grund aufzulösen.
Dass das Sichtbare aus Graustufungen entsteht, erzeugt eine
Nichtsentimentalität, welche das Pathos des Motivs, das insbesondere
bei den Reflektografien der durchleuchteten Lastwagen aufkeimen könnte,
neutralisiert. Die Zeichnungen evozieren keine Atmosphäre, sie sind
stimmungslos. Dass sie gleichwohl Ausdruck haben, liegt daran, dass
ihre Neutralität eben kein Ergebnis apparativen Sehens ist wie bei
ihren Vorbildern, sondern individuell gestiftet wird. Dadurch werden
die eingangs genannten Eigenschaften von Faulhabers Zeichnungen zum
existenziellen Diktum. Die Auflösung der Kontur, die Zerstreuung über
das Bildfeld, die Dehnung der Zeit, das Aufgehen der Handschrift in
mikrologischen Markierungen, das Finden des Motivs in bereits
bestehenden Bildern, die Streckung zur Serie: all dies trifft eine
Aussage darüber, was und wie wir sehen, und wie wir uns gegenüber der
Welt (nicht) konturieren können.
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Michael Lüthy
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(Aus
Katalog: Gerhard Faulhaber, Hrsg. Zwinger Galerie, Alpheus Verlag,
2008)
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Licht und Dunkelheit
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Nachbilder
und Nachtbilder von Gerhard Faulhaber
Durchleuchten. Licht, das durch den Körper dringt. Strahlen, die unter
die Oberfläche gehen.
Die neuen Zeichnungen . . . . . . . . sind ebenso gegenständlich wie
schattenhaft. Etwas Geheimnisvolles umgibt sie. Einerseits erzählen sie
mit ihren vielen, durchaus realistisch erfassten Silhouetten von
Menschen, die sich in einer genau beschriebenen Situation befinden,
nebeneinander sitzend unter einer Art Baldachin und uns, den
Betrachtern, den Rücken zuwenden. Einen Moment lang könnte man sogar
denken, man sähe die Rückseite einer Abendmahl-Komposition in diesen
friedlichen, teils einander zugewendeten Figuren. Andererseits ist die
Szene gespenstisch und nicht genau lokalisierbar, denn die Materie der
Körper selbst scheint nicht fest und opak, sondern von Licht
durchdrungen: Spuren der Wirbelsäule und anderer Knochen zeichnen sich
ab und das Skelett schimmert durch die Hülle des Lebendigen wie eine
Ahnung von der Sterblichkeit. Man glaubt, diese Figuren in einem Moment
der Transformation und des Übergangs zu sehen, vielleicht an einer
Schwelle von dieser in eine andere Welt.
Tatsächlich beruht die Anmutung des Übertretens einer Schwelle auf
einer sehr konkreten Geschichte. Gerhard Faulhaber hat als Vorlage für
seine Zeichnungen Fotografien benutzt, die an einer realen Grenze
entstanden sind, an der die Personen tatsächlich durchleuchtet werden.
Die Quelle waren Wärmebilder und Röntgenaufnahmen von Lastwagen, die an
der Grenze von Mexiko und den USA der Kontrolle dienen, um illegale
Einwanderer ausfindig zu machen und aufzuhalten. Der Moment, in dem die
Bilder entstanden, ist zugleich der der Entdeckung der Migranten und
damit ein existenzieller Augenblick, zerschlagen sich in ihm doch die
Hoffnungen, die sie auf das Leben in den USA setzten. Noch aber wissen
sie nichts von ihrer Entdeckung - das sieht man an der Ruhe ihrer
Haltungen.
Aber dieser politische und geografische Grenzraum ist nur einer der
Kontexte, den die Bilder berühren. Gitterstrukturen überlagern die
Körper,
gepunktete Linien rieseln durch sie hindurch wie Schneeflocken, Bögen
und Säulen
umgeben sie. Selbst wenn man weiß, dass diese Formen auf die Planen der
LKW's und die Paletten, hinter denen die Flüchtigen sich verstecken,
zurückgehen, ist stärker als dieses Wissen, dass diese Formen ganz
andere Räume und Strukturen assoziieren lassen. Man kann an die Skyline
von Hochhäusern denken oder an alte Arkaden und dadurch gewinnen sie
ein wenig etwas von einer Reise durch die Zeit und durch historische
Horizonte. Und weil Gerhard Faulhaber seine Motive wiederholt, dabei
die Ausschnitte verschiebt und sich verschieden nah an die Szene
heranzoomt, rückt das Spiel mit diesen strukturellen Elementen in den
Vordergrund. Der Raum selbst erhält so etwas Geisterhaftes und
Flüchtiges. . . . . . .
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Katrin
Bettina Müller
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(Aus
Katalog: Gerhard
Faulhaber, Hrsg. Zwinger Galerie, Alpheus Verlag, 2008)
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Der Körper im
Dispositiv der Zeichnung
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Die
Tätigkeit des
Zeichnens vermittelt zwischen zwei Körperlichkeiten: derjenigen des
Zeichners einerseits, derjenigen des Gezeichneten andererseits. Die
Zeichnung gilt auch deshalb als die unmittelbarste unter den
Bildkünsten, weil sie diese Vermittlung augenfällig werden lässt. Das
‚Wunder‘ der Kunst, auf einer ebenen Fläche eine ganze Welt entstehen
zu lassen, wird hier in besonders elementarer Weise sichtbar, indem
letztlich ein einziger Strich dafür ausreichen kann. Zugleich aber ist
die Zeichnung jenes Bildmedium, dem sich die Geste des Künstlers – in
ihrer Schnelligkeit, Gravität, Expressivität oder Distanziertheit – am
unmittelbarsten einprägt. Darin liegt das wesentlich subjektive Moment
der Zeichnung, die stets nicht nur eine Welt zeigt, sondern darin mit
zeigt, in welchem Verhältnis – des Beobachtens, des Staunens, der
Kritik – der Zeichner zum Gezeigten steht. Die Medialität der Kunst,
d.h. ihre Kapazität, zwischen Subjekt und Welt zu vermitteln, erweist
sich bei der Zeichnung also als besonders körperbezogen: diese wird zum
Medium, das die Spur der zeichnenden Hand festhält; zugleich wird
jedoch auch der Körper des Zeichners zu einem Medium: zu einem
Instrument, den zeichnerischen Impuls auf das Blatt zu übertragen.
1987 beginnt Faulhaber eine Reihe großformatiger Zeichnungen, in denen
sich seine Bildsprache grundlegend wandelt. Die wiedererkennbare Welt
mit ihren menschlichen Körpern, die zuvor in durchaus expressiver Weise
Bildgegenstand war, verschwindet. Einzug hält stattdessen eine
Zeichnungsweise, die auf die materiellen und medialen Grundlagen dieser
Tätigkeit zurückgeht. Gerade dadurch aber bleibt der Körper als Thema
präsent, allerdings in anderer Position und Funktion. Er wird nun zur
Determinante im zeichnerischen Dispositiv. War er in den
gegenständlichen Zeichnungen dasjenige, was aus den Strichen heraus
entstand, wird er jetzt zu demjenigen, der vor dem ersten Strich das
Entstehen der Zeichnung reguliert. So folgt beispielsweise die
Blattgröße aus der Reichweite des Armes: Die Ränder des Blattes sollen
ohne Stellungswechsel des Körpers gerade noch erreichbar sein. Die
Strichformen wiederum sind Explorationen, auf welch unterschiedliche
Arten Graphit oder Kreide über das Blatt sich ziehen, rollen oder
schieben lassen. Zwischen den Fertigkeiten des zeichnenden Körpers und
der Struktur der Zeichnung knüpft sich ein enges Band. In der Eigenart,
die Fläche des Blattes zum operationalen Raum und die Technik des
Zeichnens zum Inhalt der Zeichnung werden zu lassen, liegt ein
selbstreflexives, in sich zurücklaufendes Moment.
Obschon der Körper auf diese neuartige Weise ein bestimmendes Moment
der Zeichnungen bleibt, zieht er sich doch ins Ungreifbare zurück. Am
Fluchtpunkt der Zeichnungsserie, der 1992 erreicht wird, realisieren
die Blätter eine stupend ebenmäßige Behandlung der gesamten Bildfläche.
Ein dicht bedecktes, von zahllosen Linien gleichmäßig texturiertes Feld
entsteht, das Kontraste und Plastizität dämpft und die Zeichnung auf
eine minimal differenzierte Oberfläche irisierenden Schwarzgraus
reduziert. Selbst auf die orthogonale Orientierung nach oben und unten,
links und rechts sowie auf Anfang, Mitte und Ende wird verzichtet.
Damit arbeiten die Zeichnungen der Subjektivität des Zeichnens
entgegen. Sie sind keine Arena der Expressivität und kein Resonanzraum
der Innerlichkeit. Ihre Ambition scheint vielmehr darin zu liegen, die
körperlichen Voraussetzungen des Zeichnungsaktes möglichst restlos zum
Verschwinden zu bringen. Ob der Zeichner Links- oder Rechtshänder ist,
von welchen Stimmungen die Ausführung begleitet war und wie lange sie
dauerte: all dies wird aufgehoben in einem Duktus, der eine von jeder
Subjektivität losgelöste raumzeitliche Ordnung entwirft – eine Ordnung,
die das Ticken der Uhr und die pragmatische Orientierung im Raum nicht
kennt. Faulhaber praktiziert hier, was man einen
produktionsästhetischen Illusionismus nennen kann: als seien die
Zeichnungen entstanden, ohne gemacht worden zu sein. Sie werden zum Ort
einer eigenen und strikten Gesetzlichkeit. Ein Ausbruch aus dem Gesetz
regularisierter Linien, eine Einmischung des Ichs, und die Zeichnung
ist verloren.
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Michael
Lüthy
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(Aus
Katalog: Gerhard
Faulhaber, Hrsg. Zwinger Galerie, Alpheus Verlag, 2008)
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